zurueck
zur Homepage

Theoretisches

"Die ältesten künstlerischen Darstellungen der Menschheit sind religiösen Ursprungs. So liegt es für mich als Theologen nahe, hier Verbindungen zu schaffen. Bilder haben die Möglichkeit, Menschen in ihrer je eigenen lebensgeschichtlichen Situation anzusprechen und sie so sensibel zu machen für sich und ihre Umwelt, ohne dass die Freiheit des Betrachtenden eingeschränkt wird.
Dabei kann die Kunst alle Grenzen überschreiten: während sich das gesprochene Wort meistens nur an ein bestimmtes Publikum wenden kann, das über ähnliche Denkstrukturen, über den gleichen Bildungs- und Kulturhorizont verfügt, vermag das Bild auf verschiedenen Ebenen ansprechen, über alle Denk-, Kultur- und auch Sprachbarrieren hinweg.
Das Bild macht so zwar subjektivere Aussagen als das gesprochene Wort, kann aber gerade dadurch von dem Betrachter in seinem ihm eigenen Lebenshorizont oft in tiefere Bewusstseinsschichten aufgenommen werden - es regt zum meditativen Verweilen an. Kunst gibt dem Betrachter genau die Zeit, die er zur Aufnahme des benötigt. Kunstwerke, auf die sich der Betrachter einläßt, regen somit zu einer eigenen, inneren Diskussion an, fordern zur Überprüfung und Korrektur der eigenen (An)sicht auf, lassen eigenen Gedanken bei der Bildbetrachtung freien Raum.
Bilder haben das Interesse, das Innere des Menschen zu treffen, dieses Interesse teilen sie mit der Theologie, sofern sich die Theologie nicht als eine rein abstrakte Theorievermittlung verstehen will. Auf diesem Horizont ist die Verbindung von künstlerischer und theologischer Arbeit verständlich. Allzu lange gab es die protestantische intellektuelle Engführung, die sich so beschreiben lässt: In der katholischen Kirche sollen Bilder überwältigen, in der evangelischen Kirche sollen Bilder überzeugen. Für mich ist eine reizvolle Aufgabe, die Kraft und Weite, die Kunst vermitteln kann, mit meiner theologischen Arbeit zu verbinden. Denn manches wird erst dann sichtbar, wenn es wieder neu gesehen wird. So geht es der Kunst nicht nur um die Wiedergabe des Vorfindlichen. Sondern sie will das Denken und Fühlen des Betrachters anstoßen, indem sie das "noch nicht" oder "nicht mehr" mit thematisiert. So gesehen hat die Arbeit des Künstlers große Nähe zur Arbeit des Theologen, nur dass dieser dafür die Begriffe Paradies oder Reich Gottes benutzt.
So sollen meine Bilder Anstoß sein für das Denken und Fühlen des Betrachters. Es kann sich dann eine Begegnung ereignen, die Metapher für die Begegnung mit Gott ist: Ein Kunstwerk kann den ganzen Menschen ergreifen, ohne dass es selbst vollständig vom Betrachter ergriffen werden kann, denn es bleibt immer noch etwas, was sich der vollständigen Aufschlüsselung entzieht und so zur weiteren Beschäftigung anregt.

Cesare, 2019